Was ist Stress?
Auch für gelingendes Lernen ist es nötig, einen gesunden Umgang mit Stress zu finden. Schon Kinder in der Grundschule leiden oft unter Stress, weil sie und ihre Eltern nicht wissen, wie sie förderlich mit den Anforderungen in der Schule und durch die Schule umgehen können. Dies beeinflusst oft erheblich das Familienleben, weil Schule zum belastenden Dauerthema wird. In meinem letzten Blog-Artikel habe ich begonnen, aufzuzeigen, warum Achtsamkeit auch im Zusammenhang mit gelingendem Lernen hilfreich und förderlich ist. Im letzten Artikel ging es deshalb um den unruhigen Geist bzw. die Beruhigung des Geistes, die dazu führt, dass Lernen leichter gelingt. Dieser Aspekt hängt entscheidend mit einem gesunden Umgang mit Stress zusammen, wie im Folgenden noch deutlich wird. Aber auch wenn wir alle eine Vorstellung davon haben, was Stress für uns bedeutet bzw. wie er sich anfühlt, lässt sich doch fragen: Was ist Stress eigentlich ganz genau?
Funktion und Nutzen von Stress
Stress ist nicht grundsätzlich gesundheitsschädlich, sondern in erster Linie ein überlebenswichtiger biologischer Mechanismus (Kampf-Flucht-Mechanismus), der in bedrohlichen Situationen bzw. bei Gefahr die nötigen Abläufe im Körper aktiviert (Bereitstellung von Energie), um schnell zu reagieren und damit das Überleben zu garantieren. Hierdurch wird eine schnelle Anpassung an Belastungen und Herausforderungen gewährleistet.
Das Problem besteht darin, dass es in der modernen Gesellschaft eine Vielzahl an Reizen gibt, die als Stressauslöser wirken können. Es aber gleichzeitig kaum noch die Möglichkeit gibt, die durch die Stressreaktion bereitgestellte Energie zu verbrauchen. Wir leben eben nicht mehr in der Steinzeit – Kampf oder Flucht sind in den meisten Situationen nicht die angemessenen Reaktionen.
Unterscheidung von Stressreaktion und Stressauslöser
Die Stressreaktion bezeichnet die körperlichen Symptome bzw. die physiologischen Abläufe, Gedanken und Gefühle, die nach einem Stressreiz ablaufen bzw. auftauchen. Daraus resultiert Verhalten, das sich dann wiederum auf die körperlichen und psychischen Abläufe auswirkt. Das heißt, dass Stressreiz und Stressreaktion in einer wechselseitigen Beziehung stehen.
Stressreaktion
Auf körperlicher Ebene geschieht bei der Stressreaktion zunächst eine Energiebereitstellung (ursprünglich für Kampf oder Flucht), der Sympathikus wird aktiviert (der Teil des vegetativen Nervensystems, der für Aktivierung zuständig ist), das Blickfeld verengt sich, die Hormone Cortisol und Adrenalin werden ausgeschüttet und Puls und Blutdruck gehen in die Höhe. Dies geschieht unbewusst, automatisch und blitzschnell. Stand zum Beispiel in der Steinzeit plötzlich ein gefährliches wildes Tier vor uns, konnten wir blitzschnell reagieren und entweder fliehen oder mit diesem Tier kämpfen. Danach war, wenn wir überlebt haben, die bereitgestellte Energie verbraucht und, wenn es gut lief, konnten wir danach ein Schläfchen einlegen und der Körper konnte sich vollständig von diesem Ereignis erholen. Das ist natürlich vereinfacht dargestellt und zeigt eine ideale Stressreaktion. Heute läuft es aber oft ganz anders, da die Stressreize sich verändert haben und dementsprechend auch die Reaktionen darauf, die sich in unserem Verhalten zeigen.
Akute Stressoren
Akute Stressoren bzw. Stressreize sind Reize, die nur kurzzeitig auf uns einwirken, wie zum Beispiel ein Termin in der Schule, bei dem der Leistungsstand des eigenen Kindes besprochen wird, aber auch der Straßenverkehr, Verspätungen sowie der Verlust der Arbeitsstelle oder der Tod eines Haustiers oder sogar eines nahestehenden Menschen. Dies sind alles Stresssituationen, die eines adäquaten Umgangs bedürfen, das heißt, es ist nötig, dass ein Bewältigungsprozess in Gang kommt, an dessen „Ende“ ein gesunder Gleichgewichtszustand erreicht ist.
„Bleibt dieser Bewältigungsprozess aus, kann daraus ein Zustand der Dauerbelastung mit typischen Reaktionsmustern resultieren, die ihrerseits zu chronischen Stressoren werden.“ (Kabat-Zinn 2013, Gesund durch Meditation, S. 406)
Chronischer Stress
Bleiben die Bewältigungsstrategien aus, setzt ein Prozess ein, der auf Dauer körperlich und psychisch sehr belastend ist. Die eigentliche Stressreaktion wird unterdrückt, schafft aber gleichzeitig neue Stressreize und -reaktionen. Die unterdrückte Stressreaktion wirkt also weiter und führt zu einer chronischen Übererregung(verstärkt durch Gedanken wie Sorgen und Grübeleien). Bluthochdruck, Kopfschmerzen, Rückenschmerzen, Schlafstörungen usw. sind Symptome einer unterdrückten Stressreaktion. Durch unzweckmäßige Bewältigungsstrategien wie Arbeitssucht, Hyperaktivität, Esssucht oder Drogenkonsum wird dieser Prozess noch verstärkt, was letztendlich zum totalen Zusammenbruch führen kann (physische und psychische Erschöpfung, Antriebsverlust, Depression, Burnout) (ebd., S. 404).
Akuter und chronischer Stress in der Schule
Akuter Stress in der Schule kann durch anstehende Tests und Arbeiten verursacht werden. Besonders, wenn es vorher ein Misserfolgserlebnis gab, das nicht angemessen verarbeitet wurde, neigen einige Schüler dazu, sich stark unter Druck zu setzen. Aber auch eine anstehende Präsentation vor der ganzen Klasse kann als Stressauslöser wirken, wenn der betreffende Schüler nicht gerne vor vielen Menschen spricht oder das Gefühl hat, dass er oder sie den Stoff gar nicht richtig verstanden hat. Für einige Schüler kommt es auch zu akutem Stress, wenn sie spontan vom Lehrer aufgerufen werden und sich zu einer Frage äußern sollen – häufig kommt es dann zu einem Blackout. Auch Konflikte mit Mitschülern und Lehrern können Stress verursachen, der Kinder und Jugendliche zunächst zu überfordern scheint.
Die Herausforderung für Schüler, Lehrer und Eltern besteht darin, diese akuten Stressauslöser zu erkennen, um dann angemessene Bewältigungsstrategien entwickeln zu können. Denn nur dann ist es möglich, Körper und Geist zu beruhigen und wieder zu einem ausbalancierten Zustand zu gelangen. Gelingt dies nicht, wird aus dem akuten Stress leicht chronischer Stress – mit all seinen negativen Konsequenzen: Physische und psychische Erschöpfung, Antriebsverlust, Depressionen und Burnout gibt es mittlerweile vermehrt auch bei Kindern und Jugendlichen. Deshalb ist es wichtig, schon jungen Menschen Strategien zu vermitteln, die ihnen helfen förderlich mit Stress umzugehen.
Ausblick
Da die Themen Stress und gesunder Umgang mit Stress vielschichtig sind, behandle ich die verschiedenen Aspekte in mehreren aufeinanderfolgenden Blog-Artikel.
So gehe ich in den nächsten Wochen noch vertiefend auf folgende Aspekte ein:
- Gesunder Umgang mit Stress
- Achtsamkeit und Stress
- MBSR (Mindfulness Based Stress Reduction)
- Forschungsergebnisse zum Thema Achtsamkeit im Umgang mit Stress
Mein Ziel ist es, auf dieser Seite Anregungen für einen gesunden Umgang mit Stress anzubieten, der Ihnen und euch hilft, im Alltag – auch im Lernalltag – gelassener und entspannter mit herausfordernden Situationen umzugehen und dadurch mehr Energie zu gewinnen und die Dinge mit mehr Leichtigkeit anzugehen.
Liebe Grüße
Inga Schulz