Liebe Leserinnen und liebe Leser,
in diesem Artikel der Blog-Serie ERFOLGREICHES LERNEN – STRESSFREI UND MIT LEICHTIGKEIT geht es um das Zusammenspiel von Körper, Geist und Gehirn und wie Sie diese gegenseitige Beeinflussung nutzen können, um Ihr eigenes Lernen und das Lernen Ihres Kindes zu einem freudigen und gelingenden Teil Ihres Lebens zu machen. Ich wünsche Ihnen viel Spaß dabei!
Körper und Gehirn – Ein permanenter Austausch
Jedem von uns ist mit ein wenig Nachdenken klar, dass unser Gehirn nicht losgelöst von unserem Körper funktioniert, sondern dass hier Wechselwirkungen auftreten und ein permanenter Informationsaustausch stattfindet. Auch unser Geist ist nichts, das separat von unserem Körper und unserem Gehirn vorhanden ist. Versuchen wir, die einzelnen Bereiche zu verstehen, merken wir sehr schnell, dass alles miteinander verbunden ist und erst zusammen zu dieser großartigen Verbindung namens Mensch wird. Statt Mensch können Sie auch einfach Ihren Namen oder den Namen Ihres Kindes einsetzen… (-:
Deshalb brauchen wir zum Lernen auch nicht nur unser Gehirn mit all seinen Fähigkeiten, Neuronen und Synapsen, sondern es ist genauso wichtig, dass es auch unserem Körper gut geht und wir auf geistiger Ebene einigermaßen ausgeglichen sind. Einen perfekten Zustand gibt es dabei nicht und der ist auch nicht nötig. Aber eine gewisse Balance auf allen Ebenen muss vorhanden sein, damit wir aufnahmefähig sind und Lerninhalte auf lange Sicht, das heißt nachhaltig, speichern können – bzw. uns überhaupt motivieren und konzentrieren und auf das Abenteuer Lernen einlassen zu können. Aber was heißt „Balance“ in den unterschiedlichen Bereichen – auf körperlicher und geistiger Ebene und im Bereich des Gehirns? Ich habe für mich passende Adjektive gewählt, die diesen Zustand der Balance meiner Ansicht nach gut beschreiben. Vielleicht würden Sie andere wählen…
Ein gesunder Körper
Ein gesunder Körper sendet genau diese Information an das Gehirn und an die Psyche:
„Alles ist in Ordnung, es geht mir gut und ich fühle mich wohl. Ich habe alles, was ich in diesem Moment brauche.“
Das bedeutet zum Beispiel, dass ausreichend Nahrung, Nährstoffe und Flüssigkeit zur Verfügung stehen. Es heißt aber auch, dass der Körper ausreichend Bewegung bekommt, um Muskeln aufzubauen und die Zellen auf Touren zu bringen und damit einen guten Stoffwechsel zu ermöglichen.
Außerdem bekommt ein Körper, der obige Botschaft weiterleitet, regelmäßige Entspannung und einen erholsamen Schlaf, also Zeit, sich zu regenerieren und jeden Tag aufs Neue mit Energie und Ausdauer in den Tag zu starten.
Klar, dass das auch für das Gehirn und den Geist, bzw. die Psyche, erfreuliche Nachrichten sind und es auch hier zu einem „positiven Schub“ kommt, wenn auf körperlicher Ebene alles im grünen Bereich ist. Deshalb lassen sich auf körperlicher Ebene auch so schnell Verbesserungen erreichen, die sich ganzheitlich auf unser Wohlbefinden auswirken.
Hier liegt ein großes Potential, das wir häufig zu wenig ausschöpfen.
Geist und Gehirn „to go“
Im Folgenden benutze ich die Begriffe Geist und Gehirn, allerdings definiere ich beide Begriffe nicht tiefgehend und grenze sie auch nicht im wissenschaftlichen Sinne voneinander ab, da dies mehrere Kapitel oder sogar Bücher füllen würde. Es gibt verschiedene philosophische und neurobiologische Ansätze, die den Zusammenhang von Geist und Gehirn erklären. Einen Konsens gibt es allerdings nicht. Deshalb an dieser Stelle nur so viel:
Im Folgenden wird „Geist“ als die intellektuellen und mentalen Fähigkeiten eines Menschen verstanden und beinhaltet u.a. die Wahrnehmung, das Gedächtnis und die Fähigkeit, logische Schlussfolgerungen zu ziehen. Der Geist produziert permanent Gedanken und ist sogar im Schlaf aktiv, wo er Erlebtes und Gelerntes weiterverarbeitet und speichert.
Das Gehirn ist die „Hardware“, also die Basis für geistige Aktivität. Es ist ein Organ des zentralen Nervensystems, dessen Hauptaufgabe darin besteht, sensorische Informationen aufzunehmen und zu verarbeiten. Außerdem steuert es die Motorik (Muskulatur) sowie das Hormonsystem. Es lassen sich bestimmte Areale im Gehirn lokalisieren, je nachdem, welche Art von geistiger Aktivität stattfindet, aber „Bewusstsein“ und einzelne Gedanken lassen sich nicht sichtbar machen oder lokalisieren. Einerseits entsteht geistige Aktivität als Konsequenz von Gehirnaktivität, andererseits wird das Gehirn durch geistiges Training – zum Beispiel das Lernen einer Sprache oder regelmäßige Meditation – auch auf struktureller Ebene verändert. Wie ein Muskel, der sich durch regelmäßiges Training verändert, so verändert sich auch das Gehirn, je nachdem, wie es genutzt wird (Neuroplastizität). Das ist die Grundlage des Lernens.
Ein ausgeglichener Geist
Auch der Geist braucht „Nahrung“ und Fürsorge, um Körper und Psyche positiv zu beeinflussen und so zu einem ganzheitlichen Wohlbefinden beizutragen. Grundsätzlich ist unser Gehirn lernfreudig und möchte jeden Tag dazu lernen. Auch wenn sich häufig aus ganz unterschiedlichen Gründen ein Widerwille gegen das institutionelle Lernen in Schule, Ausbildung und an der Universität einstellt, so lernen wir doch permanent und wie selbstverständlich. Und der Ausspruch „Ich kann einfach nicht lernen!“ entbehrt jeder Grundlage. Wir lernen bei unserem täglichen Tun, durch die Erfahrungen, die wir machen, und durch unsere Beziehungen. Dauernd und ohne Unterlass. Deshalb ist es auch so wichtig und aufschlussreich, sich einmal genauer anzuschauen, mit welchen Inhalten und Aufgaben wir unseren Geist bzw. unser Gehirn täglich „füttern“, möchten wir unser Wohlbefinden und zum Beispiel das Lernen in der Schule etc. verbessern.
Geistige Nahrung: Was ist förderlich und was ist schädlich für mich?
Wodurch wird unser Geist in unserem täglichen Leben gefördert und gefordert? Was sind die Bedürfnisse dieses einen, ganz besonderen Gehirns?
Vieles, was wir in unserem Alltag tun, belastet uns auf geistiger Ebene. Wir „füttern“ unseren Geist ohne Unterlass mit Dingen, die nicht förderlich sind, zum Beispiel mit schlechten Nachrichten aus Fernsehen Radio oder der Zeitung, so dass es zu Dauerstress kommt, weil wir dies als permanente Bedrohung wahrnehmen. Auch die ständige Nutzung von Handy und Co. führt zu einer „Dauerberieselung“, die dem Geist keine Auszeiten gönnt, so dass er erschöpft und gestresst ist. Unser Gehirn braucht Pausen. Wenn pausenlos Informationen unterschiedlichster Art einströmen, kann das Gehirn diese nicht angemessen „verarbeiten“ und Lerninhalte gehen „verloren“.
Zu viel, aber auch zu wenig Input sind kontraproduktiv und führen entweder zu Überforderung oder zu Langeweile – beides Zustände, in denen es sich nicht gut lernen lässt.
Unser Gehirn braucht Aufgaben, die angemessen sind, ansprechend, interessant. Aufgaben, bei denen wir Schritt für Schritt unser Wissen und unsere Kompetenzen erweitern können. Es ist entscheidend, herauszufinden, wo der oder die Lernende genau stehen: Was sind Fähigkeiten und Interessen, die Nahrung brauchen? Da gibt es keine allgemeingültige Lösung.
Glaubenssätze: Segen…
Wie oben bereits angesprochen, produziert unser Geist ohne Unterlass Gedanken. Die Gedanken, die hier entstehen, können einen ganz konkreten Bezug haben wie „Dort steht ein graues Auto, das finde ich wirklich schön!“ oder „Es regnet schon wieder, ich bin total nass und mir wird kalt!“.
Unser Geist produziert aber auch Gedanken, die sehr stark mit den Erfahrungen und Prägungen, besonders auch den frühkindlichen, verbunden sind. Diese Gedanken sind so tief im Gehirn verankert, dass sie Teil der Persönlichkeit zu sein scheinen und sich immer wieder in den unterschiedlichsten Situationen „einschalten“. Das kann sehr hilfreich sein, wenn diese Gedanken bestärkend sind und von großem Vertrauen in uns selbst und andere zeugen. So kann es sein, dass jemand in herausfordernden Situationen denkt: Ich schaffe das! Ich habe schon so viel geschafft. Und wenn ich es nicht alleine schaffe, dann sind in meinem Leben so viele Menschen, die mich unterstützen und denen ich voll und ganz vertraue. Sie sind immer für mich da. Wenn ich es nicht alleine schaffe, schaffen wir es auf jeden Fall zusammen! Wow! Diese Gedanken lösen schon beim Lesen einen Energieschub aus. Klar, dass jemand, der so etwas denkt, eher „Glückshormone“ als Stresshormone ausschüttet und damit viel mehr Ressourcen hat, Herausforderungen zu begegnen und zu einem zufriedenstellenden Ergebnis zu gelangen. So jemand denk auch eher freundlich über sich selbst, gerade auch, wenn es mal nicht so gut klappt: Du bist ein liebenswerter und kompetenter Mensch. Diesmal hat es nicht geklappt, aber beim nächsten Mal schaffst du es ganz sicher. Jetzt machst du erstmal eine Pause, ruhst dich aus und tankst neue Energie. Dann versuchst du es nochmal! Ich glaube an dich!
Wunderbar!
…und Fluch
Viele von uns, Kinder genauso wie Erwachsene, haben allerdings wenig Vertrauen in sich und andere, so dass die wiederkehrenden Gedanken bzw. Glaubenssätze negativ sind und zu zusätzlichen Energieräubern werden, weil sie ein negatives Selbst- und Weltbild vertiefen: Ich kann das nicht, ich habe es noch nie gekonnt und werde es nie lernen. Ich bin eben zu dumm. Deshalb mag mich auch niemand wirklich. Mit jemandem wie mir möchte man halt nicht befreundet sein. Und so weiter und so fort… Ganz schön niederschmetternd und deprimierend. Schon beim Schreiben scheine ich kleiner zu werden und auf meinem Stuhl zusammenzusacken. Diese negativen Glaubenssätze lösen Stress aus, der, je nach Häufigkeit und Intensität ihres Auftretens chronisch werden und zu körperlichen und psychischen Symptomen führen kann. Auf jeden Fall aber führen diese Gedanken und Glaubenssätze dazu, dass das Lernen erschwert wird, denn ein gestresstes Gehirn lernt nicht gut.
Frühe Prägungen lassen sich zwar nicht rückgängig machen, aber es ist möglich, den Fokus zu verändern, neue Erfahrungen zu ermöglichen und so die Glaubenssätze positiv zu verändern. Dies geschieht in zwei Schritten.
Das Gehirn positiv verändern – Das Positive wahrnehmen
Gerade, wenn wir ein negatives Selbst- und Weltbild haben, ist es wichtig, verstärkt die Dinge in den Fokus zu nehmen, die gut, schön, positiv sind. Das braucht ein bisschen Übung, wird aber mit der Zeit immer leichter und selbstverständlicher. Eine Möglichkeit, die Aufmerksamkeit bewusst auf das Positive des Tages zu richten, ist, am Abend in ein kleines Büchlein zu schreiben. Verschiedene Fragestellungen können hilfreich sein:
- Wofür bin ich heute dankbar?
- Was war heute schön?
- Was mag ich an mir?
- Was kann ich gut?
Wichtig ist, eine Weile bei diesen Dingen zu verweilen und die positiven Empfindungen, die damit verbunden sind, noch einmal lebendig werden zu lassen. So werden sie vertieft und das Gehirn lernt nach und nach, dem Positiven mehr Raum zu geben.
Glaubenssätze verändern – Energie gewinnen
Es ist möglich, mit Kindern und Jugendlichen über ihre Glaubenssätze zu sprechen. Sie verstehen meistens recht schnell, was gemeint ist. Auch können sie sehr rasch und präzise ihre negativen Glaubenssätze nennen. Wichtig ist, im Gespräch diese Glaubenssätze auch ernst zu nehmen und das Kind oder den Jugendlichen mit seinen Gedanken und Empfindungen zu respektieren. Es ist wenig hilfreich, einen Glaubenssatz ausreden zu wollen oder als falsch zu bezeichnen. Dadurch verschließt sich der Betreffende eher wieder – mit der „Bestätigung“, dass mit ihm oder ihr etwas nicht stimmt.
Nachdem ein negativer Glaubenssatz benannt ist, kann geklärt werden, inwiefern er ein „Energieräuber“ ist und deshalb nicht unterstützend, wenn man seine Ziele erreichen und zufrieden und positiv sein möchte. Danach ist es hilfreich, den Satz in einen förderlichen Satz umzuformulieren – und zwar in eigenen Worten und ganz moderat.
Die Wende von „Ich kann nichts!“ zu „Ich bin ein Alleskönner!“ ist wenig glaubhaft und sollte deshalb dringend vermieden werden. „Ich lerne jeden Tag ein bisschen mehr!“ ist ebenfalls positiv, aber deutlich realistischer. Damit kann sich der Betreffende wahrscheinlich eher anfreunden. Dieser neue Glaubenssatz kann immer dann im Geiste wiederholt werden, wenn sich der alte, negative Glaubenssatz in den Vordergrund drängt. Wichtig auch an dieser Stelle: Dies ist keine Therapie, sondern lediglich eine unterstützende Maßnahme. Ist das negative Selbst- und Weltbild zu gravierend, braucht es therapeutische Hilfe.
Diese beiden Maßnahmen, Fokus auf das Positive und Veränderung der negativen Glaubenssätze in positive, gibt dem Positiven mehr Raum und führt so zu einer nachhaltigen und unterstützenden Veränderung – auch des Gehirns (Neuroplastizität). Mehr dazu finden sie im letzten Artikel (Eine positive Grundhaltung).
In Kürze:
- Körper, Geist und Gehirn beeinflussen sich wechselseitig;
- Lernen braucht einen gesunden Körper, einen ausgeglichenen Geist und ein lernbereites Gehirn;
- Der Körper braucht: ausgewogene Ernährung/Wasser, Bewegung und frische Luft, Entspannung (Aktivierung des Parasympathikus/Ruhenervs) und erholsamen Schlaf (Kinder brauchen mindestens 10 Stunden);
- Geist und Gehirn brauchen: interessante und inspirierende Aufgaben, moderaten Umgang mit medialen Reizen, Ruhe und Nichtstun, Überforderung (Stress) und Unterforderung (Langeweile) vermeiden, Wissen und Kompetenzen Schritt für Schritt erweitern (Fähigkeiten und Interessen fördern);
- Positives wahrnehmen (Wahrnehmung trainieren);
- Positive Glaubenssätze formulieren (realistisch, positiv und mit eigenen Worten);
Wenn es mir mit diesem Artikel gelungen ist, Ihre Neugier zu wecken – für das beeindruckende Zusammenspiel von Körper, Gehirn und Geist – habe ich mein Ziel erreicht. Mit dem Thema „Hormone“ wird dieser Themenbereich im nächsten Blog-Artikel ergänzt und ich hoffe, Ihnen damit noch weitere hilfreiche Informationen mit auf den Weg zu geben – für mehr Leichtigkeit beim Lernen und Zufriedenheit in Ihrem Leben!
Herzliche Grüße
Inga Schulz