Körperwahrnehmung und Selbstfürsorge –
Leichter lernen im Einklang mit dir selbst!
Liebe Leserinnen und Leser,
willkommen zu meinem ersten Blog-Artikel in diesem Jahr. Ich wünsche Ihnen einen guten Start und alles Gute für 2024! Ich freue mich, dass Sie wieder dabei sind!
In den letzten beiden Artikeln im Dezember habe ich über das Zusammenspiel von Körper, Gehirn, Geist und Psyche geschrieben. Ich halte diesen Aspekt für besonders wichtig für gelingendes Lernen, da Lernen eben keine reine „Kopfsache“ ist. Sind Körper und Geist/Psyche aus dem Takt, kann das Gehirn alleine wenig ausrichten. Auch wenn nach wie vor ausreichend Neuronen und Synapsen vorhanden sind, das heißt, die „Hardware“ zu stimmen scheint, wird erfolgreiches und nachhaltiges Lernen nur schwer gelingen. Die Herausforderung ist für Kinder, Jugendliche und Erwachsene gleichermaßen, herauszufinden, wo es denn in diesem Moment genau „hakt“. Das ist oft gar nicht so einfach! Die Aspekte Körperwahrnehmung und Selbstfürsorge möchte ich deshalb in diesem Artikel aufgreifen und Ihnen damit etwas an die Hand geben, dass Sie sofort anwenden können. Für mehr Wohlbefinden und Ausgeglichenheit – auch beim Lernen!
Körperwahrnehmung – Hilfe zur Selbsthilfe
Unsere Gesellschaft ist sehr „verkopft“. Intellektuelle, das heißt auch, messbare intellektuelle Erfolge sind hoch angesehen, während emotionale Qualitäten wie Freundlichkeit, Fürsorge und Mitgefühl in vielen Bereichen eher ein Schattendasein fristen bzw. belächelt werden. Auch ein gutes Körpergefühl wird eher im Zusammenhang mit sportlichen Erfolgen akzeptiert als dann, wenn es darum geht, ein gutes Gefühl für seinen eigenen Körper und seine eigenen Bedürfnisse zu haben. Dabei ist gerade das immens wichtig, um gesund und ausgeglichen zu bleiben. Verstehen wir die Signale unseres Körpers – und unseres Geistes – können wir uns geben, was wir in diesem Moment brauchen und sorgen so für unser Wohlbefinden – und ganz nebenbei auch das unserer Mitmenschen, weil wir freundlicher, offener und interessierter auf andere zugehen können. Gleichzeitig stärken wir unsere Leistungsfähigkeit, denn wir sorgen immer wieder dafür, dass wir unsere Akkus aufladen.
Signale des Körpers
Unser Körper signalisiert uns, was er braucht. Zunächst eher leise, nach und nach dann immer lauter. Deutlich wird dies zum Beispiel an unserem Durstgefühl, das erstmal dezent im Hintergrund auftaucht, dann aber immer stärker wird, wenn wir nicht reagieren und uns keine Flüssigkeit zuführen – wenn wir also nichts trinken.
Unser Körper braucht Flüssigkeit, um die inneren Abläufe reibungslos stattfinden zu lassen. Das Durstgefühl „unterstützt“ ihn dabei, das zu bekommen, was er benötigt. Gelingt es uns nicht, rechtzeitig etwas zu trinken, kann es zum Beispiel sein, dass wir Kopfschmerzen bekommen. Ein Signal des Körpers, dass etwas nicht in Ordnung, nicht in der Balance ist.
Das heißt, die Signale, die der Körper uns „sendet“, werden nach und nach immer deutlicher bzw. stärker. Bleiben wir beim Durst und bei den Kopfschmerzen: Kopfschmerzen können viele Ursachen haben, ist der Grund allerdings Flüssigkeitsmangel, ist das einzig sinnvolle „Schmerzmittel“ Flüssigkeit – am besten in Form von Wasser. Dadurch bekommt der Körper dann die Möglichkeit, alle physiologischen Abläufe wieder in einen ausbalancierten Zustand zu bringen. Diesen Zustand nennt man Homöostase – dies bedeutet ein Gleichgewicht der physiologischen Körperfunktionen. Verstehen wir die Sprache unseres Körpers in diesem Moment allerdings nicht, machen zum Beispiel einfach weiter oder nehmen eine Schmerztablette, arbeiten wir gegen ihn und sorgen dafür, dass wir nachhaltig geschwächt werden. Jetzt sagen Sie vielleicht: Naja, das ist ja recht banal und es besteht gar kein Grund, gegen meinen Körper zu arbeiten. Ich trinke einfach etwas und alles ist gut! In diesem einfachen Beispiel ist das sicherlich richtig, aber es gibt eben auch Körpersignale bzw. Symptome, die nicht so leicht einzuordnen sind. Gerade auch, weil wir gelernt haben, immer wieder mit großer Härte gegen unsere vermeintlichen Schwächen vorzugehen bzw. diese lange zu ignorieren. Es scheint immer noch ein Zeichen von Stärke zu sein, durchzuhalten und weiterzumachen, auch wenn die Akkus längst leer sind. Gehen wir in dieser Weise über Monate und Jahre vor, wird es immer schwieriger, Körpersignale zu verstehen und die richtigen Maßnahmen zu ergreifen, damit es uns wieder besser geht. Deshalb ist es so wichtig, bei Kindern und Jugendlichen die Sinne für die eigenen Bedürfnisse und die Körperempfindungen zu schärfen. Hier beginnt Prävention. Und diese Prävention hat enormen Einfluss auf die mentale und körperliche Gesundheit unserer Kinder – und damit auch auf das Lernen.
Kinder brauchen Vertrauen – in andere Menschen, sich selbst und in ihren Körper
Die oben angesprochene Prävention beginnt mit der Erziehung unserer Kinder. Dies ist ein weites Feld, dass ich hier lediglich ansprechen kann. Klar ist aber, dass die Werte, die wir als Eltern und in der Gesellschaft weitergeben, entscheidend dazu beitragen, wie junge Menschen die Welt sehen, wie sie sich verhalten, wie sie anderen und sich selbst vertrauen und wie sie in Beziehung treten – mit anderen Menschen und der Welt. Wir haben gerade gegenüber kleinen Kindern als Vorbilder eine „mächtige“ Position, dessen sollten wir uns bewusst sein. Deshalb ist es wichtig, uns als Eltern, Großeltern Lehrer etc. immer wieder selbstkritisch zu fragen:
- Was möchte ich weitergeben?
- Was ist unterstützend?
- Was ist vielleicht destruktiv und steht meinem Kind eher im Weg, wenn es um die Entfaltung seines eigenen Potentials geht?
- Sehe ich wirklich diesen ganz besonderen Menschen vor mir oder projiziere meine eigenen Wünsche und Bedürfnisse?
Es geht dabei nicht darum, alles „richtig“ machen zu müssen, mich bei der Erziehung unter Druck zu setzen, um ja keine Fehler zu machen. Das wäre kontraproduktiv und würde mehr schaden als nutzen. Fehler gehören, wie in allen anderen Bereichen auch, dazu. Ein paar grundsätzliche Dinge halte ich aber dennoch für entscheidend:
- Hören Sie Ihrem Kind zu, ohne gleich einen Rat zu geben.
- Stellen Sie Fragen, um Ihr Kind zu verstehen.
- Respektieren Sie, was Ihr Kind sagt und fühlt, auch wenn Sie es nicht nachvollziehen können oder gar für „übertrieben“ oder „falsch“ halten.
- Körperliche Empfindungen sind wichtig, um zu merken, wie es einem geht. Beziehen Sie diesen Aspekt auf natürliche Weise in das Gespräch mit Ihrem Kind ein. Unterstützen Sie sein Vertrauen in die eigenen Körperempfindungen und die eigene Körperlichkeit.
Symptome – Der Körper schlägt Alarm
Viele Kinder und Jugendliche klagen genau wie Erwachsene über Symptome wie Kopfschmerzen, Bauchschmerzen, Rückenschmerzen und Verspannungen jeder Art. Dies scheint in den letzten Jahren zugenommen zu haben und deutet einerseits auf eine Zunahme von Stress, andererseits aber auch auf Bewegungsmangel, Fehlhaltungen usw. hin. Die Symptome sollten medizinisch abgeklärt werden, um so die bestmöglichen Maßnahmen zu ermöglichen. An dieser Stelle können lediglich Denkanstöße gegeben werden.
Das Spüren schulen
Bevor es zu Symptomen dieser Art kommt, lässt sich schon einiges „spüren“, „empfinden“ und „wahrnehmen“ und es lohnt sich, Kindern und Jugendlichen hier einen guten Zugang zu ermöglichen. So können gegebenenfalls ernste Symptome vermieden werden, weil belastende Situationen frühzeitig erkannt werden. Aber wie kann dieses „Spüren“ gelingen? Oder vielmehr: Wie kann das Gespürte bewusst wahrgenommen und integriert werden? Natürlich gibt es hier ein großes Angebot an Methoden und Kursen, die die bewusste Wahrnehmung von Gedanken, Gefühlen und Körperempfindungen schulen. Darauf möchte ich an dieser Stelle aber nicht hinaus. Mir geht es vielmehr darum, Kindern deutlich zu machen, dass sich „alles“, das in uns vorgeht, auch im Körper zeigt, das heißt, eine körperliche Ebene hat, die wahrgenommen werden kann. Gefühle wie Wut, Angst, Traurigkeit usw. sind nicht einfach nur Gefühle, die irgendwie plötzlich da sind und nur im Kopf stattfinden, sondern sind begleitet von Körperempfindungen wie Druck, Wärme, Kälte, Ziehen, Schmerz, Herzklopfen, Schweißausbrüchen, Zittern, einem Unbehagen oder Unwohlsein und so weiter. Was zuerst da ist, das Gefühl oder die Körperempfindung, ist oft gar nicht so leicht zu erkennen – weder für uns noch für unsere Kinder.
Diesen Aspekt können wir mit unseren Kindern besprechen und ihnen deutlich machen, dass diese Körperempfindungen wichtige Signale sind, dass sie uns dabei unterstützen, zu verstehen, was in uns vorgeht und was wir brauchen. Welches Bedürfnis also dahinter steckt.
Bedürfnisse erkennen – Eine kurze Definition
Kinder sollten früh lernen, dass sie Bedürfnisse haben, die sie äußern dürfen und die uns als Eltern und Bezugspersonen wichtig sind, die wir achten und respektieren. Haben wir oder unser Kind ein Bedürfnis, ist dies – laut Definition – mit einer Art Mangelgefühl verbunden – mit dem Wunsch nach Aufhebung dieses Mangels. Es gibt einerseits physiologische Grundbedürfnisse, die der Erhaltung des Lebens dienen – wie das Bedürfnis nach Sauerstoff, Wasser, Nahrung, Schlaf und Kleidung. Andererseits gibt es auch soziale Grundbedürfnisse, wie das Bedürfnis nach Bindung, Zugehörigkeit, Zuneigung, Unterstützung, Anerkennung, Wertschätzung, Erfolg etc. Zu erwähnen ist noch das Sicherheitsbedürfnis – Wohnung, Arbeitsstelle, Stabilität des Umfeldes – sowie das Bedürfnis nach Selbstverwirklichung, das erst in Gänze zur Entfaltung kommen kann, wenn alle anderen Bedürfnisse erfüllt sind. Hier gibt es, je nach „Schule“ unterschiedliche Definitionsansätze und Gewichtungen.
Wenn Grundbedürfnisse nicht erfüllt werden
Wir erleben also einen Mangel, wenn wir ein Bedürfnis haben. Wenn das Bedürfnis daraufhin erfüllt wird – wir bei Durst zum Beispiel etwas trinken – kommen wir wieder in die Balance und das Mangelgefühl verschwindet. Doch was passiert, wenn ein Bedürfnis nicht gestillt wird, wir also mit dem Mangel weiterleben müssen?
Bei physiologischen Bedürfnissen ist dies recht einfach: Werden diese Bedürfnisse über einen längeren Zeitraum nicht gestillt, ist unser Leben in Gefahr – beim Bedürfnis nach Wasser (Durst) deutlich schneller als beim Bedürfnis nach Nahrung (Hunger).
Bei sozialen Bedürfnissen wie Zugehörigkeit, Anerkennung, Wertschätzung etc. kommt es bei einer Nichterfüllung primär zwar nicht zu einer lebensbedrohlichen Situation für den Betreffenden, aber längerfristig kann es zu schwerwiegenden psychischen Beeinträchtigungen wie zum Beispiel Depressionen kommen, die die Lebensqualität stark einschränken. Die Grundbedürfnisse sollten also grundsätzlich erfüllt sein, um ein zufriedenes und ausgeglichenes Leben zu führen. Allerdings ist nicht jedes Bedürfnis ein Grundbedürfnis…
Über Bedürfnisse diskutieren
Das neuste Smartphone, die coolsten Klamotten, eine Party bis spät in die Nacht, Drogenkonsum, schnelles Auto- oder Motorradfahren, häufige Partnerwechsel, jeden Tag Süßigkeiten oder Chips, ständig mit Freunden unterwegs sein… Die Liste ließe sich endlos fortführen. Wir alle kennen das. Diese Art von Bedürfnissen begegnen uns im Alltag mit unseren Kindern – besonders im Teenageralter – häufig. Sie tauchen in regelmäßigen Abständen und unterschiedlicher Ausprägung auf und geben Anlass für Diskussionen – häufig genug auch Streit. Es ist wichtig, diese Bedürfnisse ernst zu nehmen und darüber mit Ihrem Kind ins Gespräch zu kommen. Versuchen Sie, herauszufinden, warum es für Ihr Kind so ein wichtiges Bedürfnis ist. Lassen Sie Ihr Kind wirklich zu Wort kommen und hören Sie zu. Finden Sie gemeinsam heraus, welches Grundbedürfnis dahintersteckt. Zugehörigkeit, Anerkennung, Wertschätzung… Ich weiß, das ist manchmal gar nicht so einfach. Wenn Sie das Gefühl haben, dass die Bedürfnisse und deren Befriedigung ein riskantes Ausmaß annehmen, holen Sie sich Hilfe von einer Psychologin oder einem Psychotherapeuten.
Grundsätzlich gilt: Ein respektvoller und wertschätzender Austausch hilft uns und unserem Kind dabei, zu erkennen, dass Bedürfnisse da sein dürfen, auch wenn sie nicht immer erfüllt werden.
Selbstfürsorge – Ich bin wichtig!
Das Thema Selbstfürsorge ist in den letzten Jahren immer mehr in das allgemeine Bewusstsein gerückt, auch wenn es sicherlich von den meisten von uns noch viel zu wenig beherzigt wird. Wir wissen zwar, dass wir nur für andere da sein können, wenn wir selbst einigermaßen bei Kräften und in der Balance sind, aber oft gehen wir weit über unsere Grenzen hinaus, bevor wir uns eine Auszeit nehmen und wirklich mal nur für uns selbst sorgen. Wir möchten ja auch nicht egoistisch erscheinen! Und so machen wir weiter, bis die Akkus wirklich leer sind. Hier sollten wir uns als Eltern bewusst machen, dass wir eine Vorbildfunktion für unsere Kinder haben. Möchten wir diese Haltung an unsere Kinder weitergeben? Oder möchten wir vielmehr, dass unsere Kinder lernen, nach sich selbst zu schauen und ihre Grenzen zu achten, zu erkennen, was sie brauchen, und gut für sich zu sorgen? Wenn sie dies lernen, ist es auch leichter für sie zu erkennen, dass nicht jedes Bedürfnis ein „echtes“ Bedürfnis ist, sondern dass dahinter vielleicht ein Grundbedürfnis – zum Beispiel nach Zugehörigkeit – steckt, das in diesem Moment nicht erfüllt ist, und dass zum Beispiel teure Kleidung, riskantes Verhalten oder (nicht) Essen als Möglichkeit erscheinen lässt, es zu befriedigen. Dieses Bewusstsein hilft Kindern und Jugendlichen dabei, selbstbestimmter und konstruktiver mit Herausforderungen umzugehen und förderliche Entscheidungen zu treffen. Bedenken Sie aber trotzdem, dass es sich um Kinder und Jugendliche handelt! Sie können und müssen nicht alles verstehen. Und wir können und dürfen unsere Verantwortung für sie nicht abgeben!
Wichtige Fragen, die diesen (Lern-) Prozess unterstützen können, sind:
- Was passiert in meinem Kopf/Geist (wiederkehrende Gedanken/Gedankenkarussell, destruktive Gedanken)?
- Was spüre ich in meinem Körper?
- Was brauche ich jetzt?
Dabei kann es auch hilfreich sein, eine Liste mit Aktivitäten zu erstellen, die dem Kind/Jugendlichen guttun und Energie geben, sozusagen als Notfallplan, wenn das Wohlbefinden beeinträchtigt ist und dem Betreffenden spontan nichts einfällt, damit es ihm oder ihr wieder besser geht:
- Ein Gespräch mit einem Elternteil/einer Freundin oder einem Freund;
- Ein Spaziergang oder eine sportliche Aktivität;
- Entspannung;
- Musik hören;
- Ein gesundes Essen;
- Das Haustier streicheln… usw.
Manchmal braucht es etwas Zeit und Kreativität, um eine passende Liste zu erstellen. Es lohnt sich in jedem Fall! Machen Sie ein gemeinsames Spiel daraus!
Falls Sie Fragen, Ideen oder Wünsche zu diesem Thema haben, freue ich mich über eine Rückmeldung von Ihnen. In den beiden nächsten Artikeln geht es um die Themen Vertrauen und Selbstvertrauen als Ressource für gelingendes Lernen!
Bis dahin wünsche ich Ihnen eine gute Zeit!
Herzliche Grüße
Inga Schulz