Beruhigung des Geistes
In meinem letzten Artikel zu den Themen Achtsamkeit, Meditation und Lernen habe ich versprochen, mich den einzelnen Unterthemen noch einmal in Einzelartikeln und umfassender zuzuwenden. Heute mache ich den Anfang:
Mein Ziel ist es, deutlich zu machen, warum Achtsamkeitspraxis auch im Zusammenhang mit gelingendem Lernen hilfreich und förderlich ist – Achtsamkeit den Lernprozess also unterstützt.
Hier noch einmal die einzelnen Themen:
- Beruhigung des Geistes
- Ergänzen möchte ich das Thema: Umgang mit Stress
- Der Atem als Kraftquelle
- Körperwahrnehmung
- Konzentration
- Gesunder Schlaf
- Gesundes Essen
Die Reihenfolge ist hier verändert, was an meinen eigenen momentanen Schwerpunkten liegt. Das heißt aber nicht, dass ich damit eine allgemeine Priorisierung vornehmen möchte.
Die Aktivität des Geistes
Unser Geist ist permanent mit irgendetwas beschäftigt. Meistens sind es Gedanken an die Vergangenheit oder an die Zukunft, die uns aus der Gegenwart „ziehen“.
So wird zum Beispiel Vergangenes in Gedanken wieder und wieder „durchlebt“ und „durchgekaut“, vielleicht in der Hoffnung, dadurch irgendwann eine Verbesserung der Gegenwart zu erreichen, Verhalten zu rechtfertigen oder sich selbst zu „bestrafen“. Die Gründe sind vielfältig.
Auch der Fokus auf die Zukunft wirkt in ähnlicher Weise: Indem man sich immer wieder überlegt, was man sagen oder tun wird oder wie die Zukunft aussehen soll, ziehen einen die Gedanken aus dem Hier und Jetzt, oft in der Hoffnung auf eine bessere Zukunft. Der gegenwärtige Moment verliert dadurch an Bedeutung, obwohl es doch der einzige ist, den wir jetzt beeinflussen können.
Destruktive Gedanken
Unsere Denkfähigkeit ist zweifelsohne eine wichtige menschliche Fähigkeit, ohne die es keinen Fortschritt und keine Entwicklung gäbe. Wissenschaftliche Untersuchungen haben allerdings ergeben, dass ein Großteil der Gedanken, die wir im Laufe des Tages denken, destruktive Gedanken sind. Das heißt, negative Gedanken über uns selbst, unsere Mitmenschen, unser Umfeld und das Leben allgemein. Diese destruktiven Gedanken hinterlassen Spuren in uns, führen zu weiteren destruktiven Gedanken, zu entsprechenden Gefühlen und Körperempfindungen und letztendlich Stimmungen und Verhalten. Körpereigene Botenstoffe werden aktiviert und so zum Beispiel auch unser Immunsystem beeinflusst (geschwächt).
Das zeigt, dass es sinnvoll ist, sich der permanenten Aktivität des Geistes bewusst zu werden. Einerseits, um Gedanken als das zu erkennen, was sie sind: einfach Gedanken. Nicht mehr und nicht weniger. Weder gut noch schlecht (Wichtig: „Wir sind nicht unsere Gedanken!“). Andererseits, um Gedankenspiralen stoppenzu können und im gegenwärtigen Moment anzukommen. Das bedeutet, dass wir bewusst erkennen, dass wir uns in einer „Geschichte“ befinden, die zu Gefühlen und Körperempfindungen führt und unser Verhalten beeinflusst, die uns aber nicht mitreißen „muss“. Die Bewusstheit ermöglicht es uns, die Gedanken zu transformieren und die Vielfalt unserer Möglichkeiten zu erkennen (vgl. Die Kunst, Achtsamkeit zu lehren, S 225).
„Wir müssen verstehen, welche Macht die Geschichten haben, die wir erzählen, und wir müssen sie von der direkten Erfahrung des Lebens unterscheiden. Ist uns das möglich, dann können wir Gedanken benutzen, ohne uns in sie zu verstricken.“ (Jack Kornfield)
Der gegenwärtige Moment
Der gegenwärtige Moment ist es, der unser Leben ausmacht. Hier sind wir mit uns selbst und anderen Menschen im Kontakt. Hier können wir die Schönheit der Natur wahrnehmen, mit all ihren Erscheinungen, ganz echt, so wie sie wirklich ist. Die Achtsamkeitspraxis unterstützt uns dabei, die Gedanken zu erkennen und diese von der Realität, dem gegenwärtigen Moment, zu unterscheiden. Wir bemerken, dass Gedanken zwar immer da sind, aber nicht immer der Realität entsprechen. Dies ermöglicht uns mehr Präsenz in der Welt, „wie sie wirklich ist“ (Die Kunst, Achtsamkeit zu lehren, S. 233).
Beruhigung des Geistes und Lernen
Kleine Kinder leben noch ganz im Hier und Jetzt. Sie denken nicht über die Zukunft oder die Vergangenheit nach, sondern erleben den gegenwärtigen Moment so wie er ist. Darauf reagieren sie, daraus resultiert ihr momentanes Wohlbefinden oder ihr Unbehagen.
Doch die destruktiven Gedanken und das Gedankenkreisen beginnen nicht erst im Erwachsenenalter. Ab einem gewissen Entwicklungszeitpunkt sind auch das kindliche und Jugendliche Gehirn permanent mit Gedanken beschäftigt – auch den destruktiven.
Daher empfinde ich es als eine große Chance, schon in jungen Jahren die eigene Achtsamkeit zu schulen. Kinder, die Achtsamkeit lernen, werden ruhiger. Dadurch können sie sich besser konzentrieren, denn die Ablenkungen durch den eigenen Geist nehmen ab.
„Die Achtsamkeitspraxis lehrt, wie man aufmerksam sein kann, und zeigt, dass dies sowohl das fachliche als auch das sozial-emotionale Lernen fördert.“ (Achtsamkeit mit Kindern, S. 19)
Kinder, die Achtsamkeit lernen haben eine bessere Selbstregulation, können leichter mit schwierigen Gefühlen umgehen, sich besser in andere einfühlen und haben verbesserte Fähigkeiten zur Konfliktlösung. Dies stärkt insgesamt ihr Selbstbewusstsein (ebd.). Meine Erfahrungen bei LERNLAND zeigen mir, dass es oft kleine Dinge sind, die im Leben der Kinder und Jugendlichen (und Erwachsenen) eine große Wirkung entfalten. Manchmal ist es die Entdeckung der eigenen Atmung, manchmal die Erkenntnis, dass man seine Aufregung bewusst wahrnehmen kann oder dass Gedanken einfach nur Gedanken sind und nicht immer der Realität entsprechen. Dies ermöglicht Lernen mit mehr Leichtigkeit!
Herzliche Grüße
Inga Schulz