Erfolgreiche Selbstorganisation und Lernstruktur
Liebe Leserinnen und Leser,
herzlich willkommen zum August-Artikel dieser Blog-Serie zum Thema „Erfolgreiches Lernen – stressfrei und mit Leichtigkeit“. Ich stelle hier noch einmal eine Auswahl der Themen an den Anfang, die mir am Herzen liegen, und auf die Sie sich in den kommenden Monaten freuen können. Falls Sie die letzten Artikel gelesen haben, können Sie diesen Teil überspringen und gleich bei Abschnitt Selbstorganisation und Lernstrukturweiterlesen.
- Gehirn und Körper: Das muss ich wissen!
- Eine positive Grundhaltung
- Vertrauen und Selbstvertrauen
- Ziele: Unterscheidung von Elternzielen und Kinderzielen
- Eigenverantwortung: Das Lernen in die Hand nehmen
- Umgang mit Ängsten und Stress (Eltern und Kinder)
- Gelassenheit und Entspannung erreichen: Achtsamkeit in den Alltag integrieren (Übungen für Eltern und für Kinder)
- Lernstrategien: Merkblätter zu Themen wie Motivation, Konzentration, effektivem Lernen etc.
An den Anfang stelle ich in den ersten drei Artikeln die Definition der Themen, die für die meisten Lernenden eine Herausforderung sind, um damit die „Ausgangssituation“ deutlich zu machen, also die Situation, in der Sie bzw. Ihre Kinder sich im Moment im Lernkontext wahrscheinlich befinden.
Die Themen sind:
- Lernstress (Blackouts/Lernblockaden/Prüfungsangst)
- Fehlende Selbstorganisation;
- Lernstruktur;
- Mangelnde Motivation;
- Konzentrationsschwierigkeiten;
Im letzten Artikel habe ich mit dem Thema Lernstress begonnen, da ein förderlicher Umgang mit Herausforderungen und Stress meiner Ansicht nach die Basis nicht nur für gelingendes Lernen, sondern auch für Ausgeglichenheit, Zufriedenheit und Wohlbefinden im Allgemeinen sind. Stimmt die Basis, ist es dann auch möglich, förderliche Veränderungen in den anderen Bereichen einzuleiten und neue Gewohnheiten zu etablieren.
Selbstorganisation und Lernstruktur
Die Bereiche Selbstorganisation und Lernstruktur sind hier nacheinander dargestellt, haben aber viele Überschneidungen und sie könnten auch zusammengefasst werden, weil sie je nach Definition sehr ähnliche Aspekte beschreiben. Selbstorganisation im Lernkontext bedeutet unter anderem, dass der/die Lernende in der Lage ist, das Lernen auf eine für sich förderliche Art und Weise zu strukturieren und die für einen selbst passenden Lernmethoden anzuwenden.
Chaos pur
Läuft es in den Bereichen Selbstorganisation und Lernstruktur nicht „rund“, haben Eltern das Gefühl, es herrsche Chaos auf ganzer Linie bei ihren Sprösslingen, weil diese oft den Wald vor lauter Bäumen nicht sehen, nicht wissen, was in Sachen Lernen zu tun ist und keine Verantwortung übernehmen bzw. diese an Eltern, Lehrerinnen und Lehrer, Nachhilfelehrer usw. abgeben. Die Lernenden selbst haben weder einen Überblick über die Lerninhalte noch über die Materialien oder relevanten Termine. Dadurch entsteht ein Gefühl der Überforderung – nicht nur bei den Lernenden, sondern auch bei deren Eltern, was zu Hause immer öfter für schlechte Stimmung und Streit sorgt. Die Kinder und Jugendlichen schieben nötige Schritte immer weiter heraus und die betroffenen Eltern und Kinder wissen irgendwann nicht mehr, wo sie anfangen können, um die Situation positiv zu verändern. Viele stecken dann bildlich gesprochen „den Kopf in den Sand“ und nehmen es mehr oder weniger hin, dass es in der Schule eben nicht läuft. Das scheint auch nachvollziehbar, weil die zu bewältigenden Aufgaben sich zu einem riesigen Berg anzuhäufen scheinen, der ohne „Steigeisen, Haken und Sicherheitsseil“ nicht mehr zu bewältigen ist.
Da hilft es nur, einen Schritt zurückzutreten, die Emotionen beiseitezuschieben und zu schauen, wie und mit welchen Hilfsmitteln der „Berg“ Schritt für Schritt bewältigt werden kann. Viele Hilfsmittel können leichter in den Lernalltag integriert und umgesetzt werden als es im ersten Moment scheint.
Selbstorganisation – Was heißt das?
Kinder sollten ab einem gewissen Alter ihr Lernen selbst in die Hand nehmen. Sie sollten ihre Hausaufgaben selbstständig erledigen und das nötige Material parat haben (Bücher, Hefte, Stifte etc.). Sie sollten wissen, wann Tests und Klassenarbeiten geschrieben werden und auch ein Gefühl dafür entwickeln, wie sie sich Wissen am besten aneignen können und welche Lernmethoden am effektivsten für sie sind. So lernen manche Kinder ihre Vokabeln gerne mit Karteikarten, andere aber lieber mit einem Vokabelheft oder mit dem Tablet. Alles hat seine Berechtigung und nichts ist „besser“ oder „schlechter“. Aber es ist wichtig, unterschiedliche Möglichkeiten auszuprobieren, um dann für sich entscheiden zu können, welche Methode am besten funktioniert. Manchmal hängt dies auch von der Tagesform oder der Situation ab. Im Idealfall bekommen Kinder die entscheidenden Angebote zum Thema „Lernmethoden“ von ihren Lehrerinnen und Lehrern im Unterricht in der Schule. Das heißt, dort lernen sie vielfältige Lernmethoden kennen und können diese ausprobieren und anwenden. Bleibt dies aus, können diese Angebote natürlich auch von den Eltern bzw. anderen fachkundigen Personen zur Verfügung gestellt bzw. vermittelt werden. Spätestens das Anwenden dieser Methoden beim Lernen kann dann niemand mehr für den Lernenden übernehmen. Und das ist gut so!
Altersangemessene Selbstorganisation
Kinder müssen wissen, dass sie sich auf Klassenarbeiten vorbereiten müssen und dass es einen Unterschied macht, wie sie dies tun. Natürlich dürfen Eltern auch mal daran erinnern, dass bestimmte Aufgaben (Hausaufgaben, Vorbereitungen für Klassenarbeiten) erledigt werden müssen, aber dies sollte nicht zur Regel werden. Übernehmen die Eltern das Denken, Organisieren und Planen, werden sie also immer aktiver, werden die Kinder gleichzeitig immer passiver und Probleme sind vorprogrammiert. Die Beteiligung der Eltern am Lernen ihrer Kinder ist ein Prozess, der im Laufe der 9-13 Jahre Schulzeit ganz unterschiedliche Phasen durchläuft. Es ist wichtig, sich das schon sehr früh deutlich zu machen. Eltern eines Grundschulkindes sind anders gefordert als die Eltern eines Achtklässlers – das sollte man zumindest meinen. Tatsache ist aber, dass viele Eltern im Lernkontext oft zu viel für ihre Kinder übernehmen – aus Angst, dass ihre Kinder den Anschluss verlieren könnten. Sie übernehmen Hausaufgaben, schreiben Referate, gestalten Poster oder Präsentationen und sitzen manchmal während der gesamten Hausaufgabenzeit neben ihren Kindern – und das auch, wenn die Sprösslinge mittlerweile bereits 14 Jahre alt oder älter sind.
Ausnahmen bei der Selbstorganisation
Es sei an dieser Stelle darauf hingewiesen, dass ich hier nicht von Kindern und Jugendlichen mit einer Lernbehinderung oder anderen geistigen oder körperlichen Einschränkungen schreibe, in diesem Fall besteht natürlich eine ganz andere Bedürftigkeit und intensive Unterstützung ist gegebenenfalls nötig. In den meisten Fällen können Kinder und Jugendliche ihre Aufgaben aber sehr gut eigenständig übernehmen, wenn sie dies in Schule und Elternhaus rechtzeitig üben und es für sie eine Selbstverständlichkeit hat – und zwar ab der ersten Klasse!
Lernstruktur – Was heißt das?
Damit Lernende sich erfolgreich selbst organisieren können, benötigen sie eine gute Lernstruktur. Dazu gehört einerseits eine übersichtliche Organisation des Lernstoffs (Einträge, Hefte, Hefter ordentlich beschriftet und geführt), andererseits aber auch ein Zeitplan (Tagesplan, Wochenplan, Regelmäßigkeit beim Lernen). Nur so ist es möglich, immer gut vorbereitet zu sein und rechtzeitig vor einer Klassenarbeit oder mündlichen Prüfung mit dem Lernen anzufangen und am Ende bei der Prüfung auch wirklich alles parat zu haben. Lernende müssen einen Überblick über den Lernstoff haben und sollten wissen, wie tief sie in die Materie einsteigen müssen, um das Gelernte zu einem vorgegebenen Termin abrufbar zu haben. Dafür ist auch ein aktiver Austausch mit den Lehrerinnen und Lehrern und Klassenkameraden wichtig, die Kompetenz also, über die Inhalte ins Gespräch zu kommen und Fragen zu stellen.
Lernstruktur bei der Prüfungsvorbereitung
Bei der Strukturierung der Prüfungsvorbereitung kann zwischen einer Grob- und einer Feinplanungunterschieden werden. Die Grobplanung beinhalten zunächst, dass der Lernende sich klar macht, welcher Stoff drankommt und welche Quellen zur Verfügung stehen (Bücher, Hefte, Ordner, Hefter). Außerdem beinhaltet sie die Erstellung eines Zeitplans, der auch den Prüfungstermin sowie die Art der Prüfung berücksichtigt.
Bei der Feinplanung ist es wichtig, noch ein bisschen tiefer einzutauchen, um das eigentliche Lernen dann so einfach wie möglich zu gestalten und dafür zu sorgen, dass am Anfang jeder Lerneinheit keine Zeit mehr dafür verschwendet wird und immer wieder neu geklärt werden muss, wie das Lernen denn jetzt ablaufen und was gelernt werden soll.
Den Lernstoff und den Zeitplan betreffend bedeutet dies zunächst, die Rahmenbedingungen festzulegen, also die Reihenfolge des Stoffes sowie den Umfang, außerdem genaue Lernzeiten für festgelegte Inhalte, die mit zuverlässiger Regelmäßigkeit eingehalten werden.
Pausen müssen sein!
Hierzu gehört es auch, Pausen einzuplanen und sich zu überlegen, wie diese Pausen gefüllt werden (Bewegung, frische Luft, etwas trinken/essen, Entspannung etc.), damit sie neue Energie bringen und nicht zusätzlich verbrauchen und dazu führen, dass man nach der Pause erschöpfter ist als vorher. Das Gehirn und der Körper brauchen eine echte Auszeit! Genauso wie Pausen, müssen aber auch Wiederholungenbereits gelernten Stoffes eingeplant werden, denn unser Gehirn braucht Wiederholungen, um Gelerntes nachhaltig speichern zu können.
Es ist hilfreich, sich „neuem Stoff“ immer in strukturierter Weise zu nähern:
- sich einen Überblick verschaffen;
- selektieren und
- aufbereiten (unterstreichen, mit eigenen Worten zusammenfassen und/oder auf Karteikarten schreiben, Audios aufnehmen)
Dies führt dazu, dass man nichts vergisst und am Prüfungstag dann wirklich alle Themenbereiche berücksichtigt hat.
Ich habe hier zur Erklärung bewusst das Lernen für eine Prüfung beschrieben, denn es ist der offensichtliche Zeitpunkt, zu dem Wissen abgefragt wird. Dabei wird aber ebenfalls deutlich, dass es grundsätzlich sinnvoll ist, das Lernen gut zu organisieren, um Wissen nachhaltig zu speichern – auch außerhalb von Abfragen, mündlichen Prüfungen und Klassenarbeiten.
Den Anfang machen
Was sind also die ersten Schritte in Sachen Selbstorganisation und Lernstruktur?
Es gibt Schritte für Sie als Eltern und für Ihre Kinder bzw. die Lernenden selbst.
Hier eine kleine Auswahl, die ich für besonders wichtig halte:
- Ruhe bewahren (wirklich entscheidend, weil sonst Stresshormone ausgeschüttet werden, die das Lernen und das Miteinander zusätzlich erschweren);
- Ist-Situation genau benennen und aufschreiben/Visualisieren: Wie ist die Situation? Was läuft gut? Was läuft nicht gut? (Stresslevel, Schule, einzelne Fächer: Lernlücken, Lerninhalte, Materialien…
- Was ist das Ziel (allgemein und auf die beiden Aspekte Selbstorganisation und Lernstruktur bezogen)?
- Welche Hilfe wird eventuell benötigt? Gemeinsam diskutieren und gegebenenfalls um Unterstützung bitten;
- Was kann ich als Lernende/Lernender selbst tun?
- Was kann ich als Elternteil tun? Wo muss ich mich heraushalten?
- Aus dem, was gut läuft, immer wieder Kraft und Motivation schöpfen. Das können Schulthemen sein, aber auch Hobbys oder zwischenmenschliche Themen;
- Welche der oben aufgeführten Strukturen können jetzt hilfreich sein und sofort umgesetzt werden? Was braucht etwas mehr Zeit?
- Den Anfang machen und einfach ausprobieren!
Ich hoffe, dass Sie und Ihr Kind durch diesen Artikel inspiriert und motiviert wurden, das Lernen anzupacken und in eine positive und für die ganze Familie förderliche Weise zu verändern. Ich wünsche Ihnen viel Spaß dabei!
Im September-Artikel geht es um die Themen Motivation und Konzentration. Ich freue mich, wenn Sie wieder dabei sind.
Bis dahin wünsche ich Ihnen einen schönen Sommer!
Herzliche Grüße
Inga Schulz